Dr. Christoph Schreier
in Katalog:
"Doris Kaiser"
Galerie Fochem, Krefeld 2005
Es gibt Kunstwerke, die mit einem gesunden Selbstbewusstsein in die Welt treten. Sie verkörpern den Absolutheitsanspruch einer künstlerischen Setzung, die keine Fragen und erst recht keinen Widerspruch akzeptiert. Doris Kaisers Werke nun zählen sicher nicht zu dieser Kategorie und dies deshalb, weil ihre Arbeiten, trotz ihrer zumeist kompakten Erscheinung aus Kontrasten und Widersprüchen gefügt sind. Statt eine klare und unhinterfragbare Identität vorzustellen, pflegen sie eine Kultur des Dialogischen, die sich dem Betrachter, wenn nicht auf den ersten, dann doch auf den zweiten Blick erschließt.
Schnell erkennt man nämlich, dass man hier Objekten begegnet, die sich selbst befragen und sich dadurch einer klaren Definition entziehen: handelt es sich um Reliefs oder an der Wand fixierte Skulpturen? Genügen die Objekte sich selbst oder zitieren sie nicht vielmehr eine Funktionalität, etwa dann, wenn Kisten, Rahmen oder 'Schubladen' Formen bergen? Und überhaupt, was sehen wir da, Oberflächen oder Körper, Volumen? Doris Kaiser vermeidet eine Klärung und bindet auf diese Weise die Aufmerksamkeit des Betrachters. So begeben wir uns auf die Suche nach einer kategorialen Bestimmung dessen, was uns da entgegentritt, fungieren die Werke also als Exerzierfeld des analytischen Denkens. Doch reizen sie nicht nur unseren Geist. Sie besitzen zudem eine Sinnlichkeit, deren Spannkraft sich nicht zuletzt aus der Unterschiedlichkeit der verwendeten Materialien speist. So arbeitet sie sowohl mit Ton, dessen bucklige Oberfläche die Signatur der gestaltenden Hände trägt, als auch mit Gips, der in vorgefertigte Formen gegossen wird und daher glatter und vielleicht auch anonymer erscheint. Auch wenn spätere Überarbeitungen die Reinheit des Gips trüben, dann repräsentiert seine Glätte doch eine überindividuelle Qualität, die mit der anschaulich von Menschenhand geformten, in jeder Hinsicht haptischen Oberfläche des Tons konkurriert.
Interessant ist aber nun, dass dieser, aus der Eigenart der Materialien resultierende Kontrast (ähnlich den anderen beschriebenen Kontrasten) nicht zu einer Neutralisierung der Kräfte führt, sondern, im Gegenteil, dazu beiträgt, dem Werk Energien zuzuführen. Die Arbeiten gewinnen dadurch eine Lebendigkeit, die die Aussagekraft der Werke über das rein Formale hinaustreibt. Denn hier stehen nicht nur Ton gegen Gips, sondern auch das Taktile gegen das Visuelle, das Warme gegen das Kalte, das Flächige gegen das Plastische, ja, möglicherweise, sogar das Weibliche gegen das Männliche, in einer Art und Weise, die die Kontraste nicht mehr als Widersprüche erscheinen lässt. Die wechselseitige Definition fördert vielmehr eine Identitätsstiftung, die nicht der normsetzenden Autorität des Künstlers entspringt, sonder dem Werk selbst. Es liefert selbst die Erklärung für seine Existenz, für seine Lebendigkeit, die aus der Dialogfähigkeit heterogener Elemente resultiert.