BILDHAUERIN

Gabriele Lohberg
in Leporello
"Doris Kaiser- Positionen"
Galerie Kloster Karthaus
Konz 2000

Skulpturen als Raumerlebnis

Die philosophischen Fragen nach der Erkenntnis und Wahrheit der inneren und äußeren Welt erhalten in den letzten Jahrzehnten eine neue Bedeutung. Indem es möglich wird, immer neue Fenster zu verschiedenen Wirklichkeiten zu öffnen, bekommen bisher selbstverständliche Begriffe neue Wertigkeiten. Die Produktion von Welten, die nicht mit bloßem Auge sichtbar sind, verändern also auch die Ansprüche an die sichtbare Realität.

Die Künstler reagieren auf unterschiedliche Weise auf diese Herausforderungen. Doris Kaiser begegnet diesen Vorgängen und Entwicklungen auf ganz individuelle, eigene Art. In einer Welt der programmierten Veränderung, schnellen Bewegung, Buntheit und Klangfülle überzeugen ihre Arbeiten durch eine befreiende Klarheit. Doris Kaiser erreicht diese durch eine grosse Sicherheit im Verarbeiten des Materials, eine intensive Oberflächenbehandlung sowie durch die äußerste Präzision im Umgang mit den gestalterischen Elementen Form, Farbe, Linie, Plastizität und Fläche. Ziel dieser Genauigkeit scheint es zu sein, eine freie Harmonie, einen schwebenden Gleichklang zwischen divergierenden, aber nicht konträren Elementen herzustellen. Dabei thematisiert die Künstlerin in ihrer Kunst und damit auch im Betrachter vor allem kontemplative Bereiche, wie das Beobachten, Einfühlen. Erinnern, Assoziieren und Nachdenken. Der Werkstoff Ton lässt dabei an Lehmbauten, an archaisches Bauen und Gestalten denken.

Doris Kaiser ist bestrebt die handwerklichen Spuren des Formens so weit zu erhalten, dass die geometrische, allgemeine Formensprache mit Rechteck, Elypse etc. nicht beeinträchtigt, aber auch nicht dominant und unpersönlich wirkt. Feine gezeichnete Linien verweisen ebenfalls auf die diskrete Präsenz einer künstlerischen Hand als Urheber der Werke. Die persönliche „Handschrift" wird ergänzt und erhält Spannung durch die Architekturformen, die als raumgestaltende Elemente immer auch allgemeingültig, überpersönlich wirken. Der bewußte Umgang mit Innen- und Außenformen trägt zusätzlich dazu bei, die Skulptur zu einer dreidimensionalen Raumeinheit werden zu lassen. Doris Kaiser geht in ihren Skulpturen über das traditionelle Verständnis vom Einfügen einer Skulptur in den Raum hinaus, sodaß sich die Arbeiten fest in den jeweiligen Raum, den Boden, die Wand. den Sockel einzuschmelzen scheinen. Die Werke schaffen eine meditative Atmosphäre, in der eine vertiefende Beschäftigung mit sich und der Kunst fast unbemerkt initiiert wird. Es sind Skulpturen, in denen wir unsere Gedanken, Visionen, Erinnerungen, verlieren, finden und wieder empfinden können.

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