BILDHAUERIN

Dr. Christoph Schreier
in Katalog:
"Bildhauerausstellung Offenburg 1990"

Über Doris Kaiser

Dem schnellen Blick könnten sie leicht entgehen, denn Doris Kaisers plastische Arbeiten, ihre Wand- und Bodenobjekte treten sehr zurückhaltend, fast möchte man sagen bescheiden auf. Zart, zerbrechlich, schon durch eine leichte Berührung veränderbar, führen sie einen Dialog, sowohl mit sich selbst, als auch mit dem Raum und dem Betrachter, einen Dialog, der durch laute Töne nur gestört würde.

Sensibilität ist also gefordert gegenüber diesen Werken, die nun gar nicht durch physische Präsenz auftrumpfen. Sie besetzen keine Positionen, verdrängen trotz ihrer Dreidimensionalität keinen Raum, stiften keine vordergründige Inhaltlichkeit. Sie liefern stattdessen Erfahrungsangebote, Erlebnismöglichkeiten, die der Rezipient im Umgang mit den Objekten zu realisieren hat. Er soll weniger an, als mit den Plastiken Erfahrungen machen, was Doris Kaisers Arbeiten einen deutlichen instrumentellen Charakter verleiht. Sie leben nicht für sich, sie existieren vielmehr in zeitlich gegrenzten Dialogsituationen, sind wortwörtlich “relativ“, offen für zuweilen recht spannungsreiche innere und äußere Bezüge.

Zuallererst gilt dies natürlich für sie selbst, definieren sie sich doch als Konstellationen, die sich nie zu einem hermetischen Ganzen zusammenschließen. Nichts ist hier zusammengeschweißt, verankert, somit festgeschrieben. Die heterogenen Materialien, die verschiedenartigen Formen und unterschiedlichen Farben, könnten auch anders zueinander finden, sie erproben noch ihre Bezüge, mögen in anderen Situationen schon ganz anders aussehen.

Wichtig ist für die Künstlerin nicht das „so-und-nicht-anders“, sondern die Wandelbarkeit, das flexible Reagieren der einzelnen plastischen Elemente, sowohl untereinander als auch in Bezug auf den Raum. Der immer neue Ort ihrer Präsentation läßt sie nicht unberührt, fordert seine Bestimmung durch das Medium der Plastik. Boden und Wände werden so in die fragilen Konstellationen einbezogen, ohne daß diese allerdings, als Installationen, ihre Selbstbezüglichkeit aufgeben würden. Zwar artikulieren sie den Raum, doch erschöpfen sie sich nicht in einem reinen Verweis. Sie loten das Terrain auch gerade dadurch aus, daß sie den Raum durch neue Erfahrungsangebote bereichern, zuweilen eigene Binnenräume gestalten.

Das macht schließlich den Reiz und zweifelsohne die Qualität von Doris Kaisers Wand- und Bodenobjekten aus. Als Versuchskonstellationen fordern sie unsere eigene Kreativität im Umgang mit Dingen und räumlichen Situationen heraus. Wir sind aufgefordert, uns ihre, von keinem Standpunkt aus zu disziplinierende Vielseitigkeit zueigen machen, uns von starren Positionen zu lösen, Gegenstände und Räume anders und neu zu erleben.

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